Über unse­ren Schat­ten springen

Die Gehirn­for­schung beweist heut­zu­ta­ge, was wir ohne­hin längst wis­sen: Wir reagie­ren in ähn­li­chen Situa­tio­nen auf­grund unse­rer Erfah­run­gen immer wie­der gleich, ohne viel dar­über nach­zu­den­ken. Das hat Vor­tei­le, aber auch den Nach­teil, dass man irgend­wann meint, man kennt sich in- und aus­wen­dig und die Bezie­hung wird mög­li­cher­wei­se ein­tö­nig und langweilig.

Als mich Wal­ter vor kur­zem gefragt hat, ob wir wie­der ein­mal eine län­ge­re Rad­tour machen und auf einem Cam­ping­platz im Zelt über­nach­ten wol­len, ist sofort ein gan­zer Film in mir abgelaufen.
Ich habe mir gedacht: „Da kann ich bei Nacht kaum schla­fen, weil es am Cam­ping­platz laut ist, weil ich Rücken­schmer­zen bekom­me, weil beim gerings­ten Regen alles feucht und dre­ckig wird,…“.

Wal­ter hat mit dem Cam­pen auch kei­ne bes­se­ren Erfah­run­gen und wir hat­ten die­ses The­ma eigent­lich für uns schon längst abge­schlos­sen. Des­halb hat mich sei­ne Idee ziem­lich gewundert.

Irgend­wie ist es uns in die­sem Moment aber bei­den gelun­gen, über unse­ren Schat­ten zu sprin­gen und unse­re frü­he­ren Erleb­nis­se bei­sei­te zu schieben.
Nach­dem wir mit dem Fahr­rad unter­wegs waren, konn­ten wir auch nicht viel mit­neh­men. Es war tat­säch­lich so, dass es nass und kalt war, dass ich Rücken­schmer­zen hat­te und dass wir die gan­ze Nacht nicht geschla­fen haben.

Um 3 Uhr früh hat sich Wal­ter zu mir geku­schelt und er hat ganz tro­cken gesagt: „Eigent­lich sind wir schon ganz schön dep­pert“, wor­auf ich herz­lich lachen muss­te. Letz­ten Endes haben wir Arm in Arm bei­de so viel über uns sel­ber gelacht, wie schon lan­ge nicht mehr.
Das war so ver­bin­dend, dass wir uns am nächs­ten Mor­gen einig waren: Unser Trip hat sich voll gelohnt!

Die­se klei­ne Bege­ben­heit war für uns eine wich­ti­ge Lebens­er­fah­rung, weil sie sich auf vie­le ande­re Situa­tio­nen über­tra­gen lässt. Dadurch, dass wir über unse­ren Schat­ten gesprun­gen sind, haben wir uns sehr leben­dig und ver­bun­den gefühlt!

Ingrid (und Walter)