Das Bezie­hungs­kon­to

Eine gute Freun­din hat uns wie­der ein­mal erzählt, wie depri­miert es sie macht, dass ihre Eltern sich sel­ber das Leben zur Höl­le machen, weil sie stän­dig strei­ten und sich sehr laut­stark nega­ti­ve Din­ge an den Kopf werfen.
Bei einem befreun­de­ten Ehe­paar erle­ben wir dage­gen, wie glück­lich die bei­den mit­ein­an­der sind, wie gern sie sich auch nach vie­len Jah­ren noch haben und wie oft sie sich sagen, was sie anein­an­der schät­zen und wofür sie dank­bar sind.
Wir fra­gen uns, was das zwei­te Paar kon­kret anders macht als das ers­te. Dabei kommt uns der Begriff des emo­tio­na­len Bezie­hungs­kon­tos in den Sinn.
Hier geht es dar­um, dass qua­si jeder sein Kon­to eröff­net, sobald eine Bezie­hung ein­ge­gan­gen wird. Auf die­sem Kon­to kann nun — wie auch auf einem Bank­kon­to — ein­ge­zahlt oder abge­ho­ben werden.

Frisch ver­lieb­te Paa­re zah­len auf bei­den Sei­ten flei­ßig auf ihrem Bezie­hungs­kon­to ein:

+ Er macht ihr Kom­pli­men­te über ihr Äußeres;
+ Sie ist zärt­lich und sagt ihm, wie toll sie ihn findet;
+ Er lässt sie ent­schei­den, was am Abend unter­nom­men wird;
+ Sie geht ihm zulie­be mit zum Fußballspiel;
+ Er nimmt Rück­sicht, wenn sie bei der Rad­tour nicht so schnell ist;
+ Sie hat Ver­ständ­nis, wenn er nur mehr müde vor dem Fern­se­her ent­span­nen will;
+ Er bringt hin und wie­der Blu­men nach Hause;
+ Sie ent­schul­digt sich, wenn sie ihn unge­wollt ver­letzt hat;
+ …

Des­halb ist auch in der Zeit der Roman­ze das Bezie­hungs­kon­to stark im Plus und jeder ist glück­lich und fühlt sich wohl.
Irgend­wann kehrt dann der All­tag ein, man wird beque­mer, das Glück wird selbst­ver­ständ­lich und man bemüht sich viel­leicht nicht mehr so um den Anderen .

Auf dem Bezie­hungs­kon­to wird durch  Unacht­sam­kei­ten und klei­ne Ver­let­zun­gen auch kräf­tig abge­ho­ben, z.B.:

- Sie macht ihm Vor­wür­fe, dass er zu viel arbei­tet und nie Zeit hat;
— Er beklagt sich, dass sie zu viel shop­pen geht und das Geld beim Fens­ter hinauswirft;
— Sie will ihre Vor­stel­lung beim Taschen­geld der Kin­der durch­set­zen und Recht haben;
— Er ver­gisst den Hochzeitstag;
— Sie hört nicht wirk­lich zu, wenn er von Sor­gen in der Arbeit erzählt;
— Er macht spit­ze Bemer­kun­gen über ihr neu­es Kleid;
— Sie stellt ihn vor sei­nen Freun­den bloß;
— Er liegt gemüt­lich auf der Couch, wäh­rend sie am Abend noch den Abwasch macht;
— …

All das ver­rin­gert natür­lich das Gut­ha­ben auf dem Bezie­hungs­kon­to. Wenn dann auch noch auf die Ein­zah­lun­gen ver­ges­sen wird, kann es kri­tisch wer­den. Ein Bezie­hungs­kon­to, das ins Minus rutscht, kann ein Zeit­zün­der sein, der irgend­wann in die Luft geht – viel­leicht in  einer Situa­ti­on, in der man es gar nicht erwartet.

Fach­leu­te mei­nen, dass Abhe­bun­gen auf dem Bezie­hungs­kon­to viel schwe­rer wie­gen, als Ein­zah­lun­gen. Auf 1 Abhe­bung soll­ten  5 Ein­zah­lun­gen fol­gen, um einen aus­ge­gli­che­nen Kon­to­stand zu haben.
Wäre es da nicht sinn­voll, sich einen Vor­rat an posi­ti­ven Ein­trä­gen auf dem Bezie­hungs­kon­to anzu­le­gen, durch Acht­sam­keit, gegen­sei­ti­ges Wert­schät­zen, gutes Zuhö­ren usw.?

Was wir damit für unse­re Bezie­hung gewin­nen ist:

  • eine gute Atmo­sphä­re, in der unse­re Bedürf­nis­se erfüllt wer­den und wir glück­lich sind,
  • dass eine Posi­tiv-Spi­ra­le nach oben in Gang kommt, die sich lau­fend verstärkt
    und qua­si Zin­sen auf unse­rem Kon­to einbringt,
  • ein gutes Pols­ter, soll­ten ein­mal unvor­her­ge­se­he­ne Abhe­bun­gen eintreten.

 

Die­ser Ver­gleich mit dem Bezie­hungs­kon­to ist uns hilf­reich, in unse­rem All­tag nicht auf die so wich­ti­gen Ein­zah­lun­gen zu ver­ges­sen. Wir wer­den uns jetzt ein Kon­to­blatt in unse­rer Woh­nung auf­hän­gen, das uns dar­an erinnert.

Karin und Alois